Abänderung einer Vollzeitbeschäftigung in Teilzeitbeschäftigung kann geschlechtsspezifische Benachteiligung sein

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.08.2011 – 6 Sa 1561/10

Die Vereinbarung einer unbefristeten Teilzeitbeschäftigung in Abänderung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses kann eine geschlechtsspezifische Benachteiligung darstellen, die nach § 611 a Abs. 1 BGB a. F. unwirksam ist mit der Rechtsfolge, dass das Vollzeitarbeitsverhältnis fortbesteht.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.11.2010 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg

6 Ca 2145/10 – teilweise abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis besteht, in dem die Klägerin als Justizbeschäftigte gemäß Vergütungsgruppe V c BAT / nunmehr TV-L Entgeltgruppe 8 beim Amtsgericht S einzusetzen ist.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird zugelassen.

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Tatbestand
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Die Parteien streiten über den Umfang der Arbeitszeit ihres Arbeitsverhältnisses und eine Verpflichtung des beklagten Landes, die Differenz zwischen der Halb- und Vollzeitvergütung an die Klägerin seit dem 01.01.2010 zu zahlen.
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Die Klägerin wurde mit Arbeitsvertrag vom 26.09.1979 (Kopie Bl.10 d. A.) beim Amtsgericht S auf unbestimmte Zeit als Angestellte im Schreibdienst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden eingestellt. Seit dem 01.01.1984 erfolgte eine Beschäftigung als Geschäftsstellenverwalterin in Vergütungsgruppe VII BAT. Am 20.07.1988 gebar die Klägerin ihr erstes Kind. Mit Änderungsvertrag vom 22.09.1988 wurde sie in Vergütungsgruppe VI b BAT höhergruppiert. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin wegen der Geburt ihres Sohnes bis zum 19.07.1989 beurlaubt.
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Noch während dieser Beurlaubung und einer erneuten Schwangerschaft unterzeichnete die Klägerin am 19.06.1989 einen Änderungsvertrag (Kopie Bl. 11 f. d. A.), in dem eine Weiterbeschäftigung ab dem 09.08.1989 als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten “auf unbestimmte Zeit” vereinbart wurde. Bis zum Beginn des erneuten Mutterschutzes arbeitete die Klägerin dann einige Wochen in Teilzeit. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes am 12.11.1989 bis zum 31.10.2001 war sie ohne Bezüge beurlaubt. Während dieser Zeit half sie gelegentlich beim Amtsgericht S aus. Nach ihrer Beurlaubung arbeitete die Klägerin mit der Hälfte der Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten.
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Nachdem beide Kinder das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten, bat die Klägerin wiederholt um eine Stundenaufstockung. Mit Schreiben vom 16.11.2009 an die Direktorin des Amtsgerichts S (Kopie Bl. 54 f. d. A.) führte sie aus:
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“Mit Arbeitsvertrag vom 26.09.1979 wurde ich als Vollzeitbeschäftigte in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei dem Amtsgericht S übernommen.
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Nach der Geburt meines Sohnes, der erneuten Schwangerschaft mit meiner Tochter und dem sich daran angeschlossenen Erziehungsurlaubes konnte ich diese Vollzeittätigkeit zunächst nicht mehr ausüben.
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Im Juni 1989 wurde ich von unserem damaligen Geschäftsleiter, Herrn S , zur Vertragsänderung zum Amtsgericht S gebeten. Im Vertrauen darauf, dass dieser Vertrag nur eine vorübergehende Reduzierung meiner Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit zur Folge haben würde, habe ich diesen dann am 19.06.1989 unterschrieben. Wäre mir damals bekannt gewesen, dass die Unterzeichnung dieses Vertrages den Verlust meiner Vollzeitstelle zur Folge hat, hätte ich diesen Vertrag nicht unterzeichnet.
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Sowohl mir als auch meinem Arbeitgeber war zum damaligen Zeitpunkt nicht klar, dass die Unterzeichnung dieses Arbeitsvertrages zum endgültigen Verlust meiner Vollzeitstelle führen würde. Damals war es noch möglich, sobald die familiäre Situation es wieder zuließ, die Arbeitszeit durch Abschluss eines neuen Vertrages ohne weiteres wieder zu erhöhen.
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Diese Sichtweise wird m.E. auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in späteren Verträgen nach SR 2 y BAT, die ich anlässlich von befristeten Urlaubsvertretungen unterzeichnet habe, als Grundlagenvertrag immer noch mein Vollzeitvertrag vom 26.09.1979 und nicht mein Teilzeitvertrag vom 19.06.1989 oben als Bezugsvertrag aufgeführt wurde.
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Den zum 01.05.1994 in Kraft getretenen § 15 b BAT gab es bedauerlicherweise damals noch nicht. Aus meiner Sicht stellt dies eine Ungleichbehandlung dar.
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Die Möglichkeit einer vertraglich befristeten Reduzierung der Arbeitszeit stand daher noch nicht im Raum. Anderenfalls hätte ich diese Möglichkeit gewählt, da ich meine Vollzeitstelle auf keinen Fall auf Dauer aufgeben wollte.
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Aufgrund meiner veränderten familiären Situation – beide Kinder befinden sich im Studium – bin ich nunmehr auf die unbefristete Vollzeitstelle angewiesen.
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Bis zum 31.12.2009 habe ich erstmals eine Aufstockung genehmigt bekommen und helfe seither bei der Zivilabteilung aus.
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Ich bitte daher um Prüfung, ob mir ab dem 01.01.2010 wieder eine Vollzeitstelle zugewiesen werden kann.
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Diese würde ich gerne – zunächst noch für die Dauer eines Jahres – gemäß § 11 TV-L, zu ¾ der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ausüben.
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Durch das neue Familiengesetz und die damit verbundene Mehrarbeit hoffe ich sehr, dass meinem Antrag entsprochen werden kann.
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Ich stelle meine Arbeitskraft lieber in einem Arbeitsverhältnis bei der Justiz zur Verfügung, anstatt den notwendigen Verdienst mit Nebentätigkeiten zu erlangen.”
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Der Präsident des Oberlandesgerichts lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 20.01.2010 ab.
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Mit ihrer am 05.01.2010 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,
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das beklagte Land zu verurteilen, sie ab dem 01.04.2010 im Umfang von 39 Wochenstunden gemäß Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 2 A Teil II Abschnitt TUA I der Anlage 1 a zum BAT/nunmehr TV-L Entgeltgruppe 8, Stufe 6, beim Amtsgericht S zu beschäftigen;
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festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie beginnend mit dem 01.01.2010 die Differenz zwischen der derzeitigen Halbtagsvergütung und der seit dem 01.01.2010 geschuldeten Vollzeitvergütung gemäß der Entgeltgruppe 8, Stufe 6 TV-L solange zu zahlen, wie das beklagte Land die Klägerin nicht in Vollzeit beschäftigt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 24.11.2010 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Änderungsvertrag vom 16.09.1989 sei nicht gemäß § 611a Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i. V. m. § 134 BGB wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung unwirksam. Die angebotene Vertragsänderung stelle bereits keine Benachteiligung dar, weil sie die Handlungsoptionen der Klägerin erweitert habe. Auch der Umstand, dass der Abschluss des Änderungsvertrages bei nachträglicher Betrachtung für die Klägerin möglicherweise nachteilig gewesen sei, führe nicht zu einer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfolgten Benachteiligung wegen des Geschlechts. Wegen der weiteren Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Begründung wird auf Bl. 106 ff. d. A. verwiesen.
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Mit ihrer Berufung macht die Klägerin unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, sie habe einen Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung aus ihrem Arbeitsvertrag vom 26.09.1979. Der Änderungsvertrag vom 19.06.1989 sei wegen einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung gemäß den §§ 134, 611a Abs. 1 BGB nichtig. Sie behauptet, der Wunsch auf Reduzierung der Arbeitszeit sei nicht von ihr, sondern einzig und allein von ihrer Anstellungsbehörde ausgegangen. Sie habe zu diesem Zeitpunkt weder einen vernunftgetragenen Anlass noch einen solchen Grund gehabt, ihren Vollzeitstatus zu ändern. Ihr sei vielmehr klar gewesen, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder ihre Vollzeitbeschäftigung ausüben würde. Sie habe daher den Geschäftsleiter des Amtsgerichts vor der Unterzeichnung des Änderungsvertrages am 19.06.1989 ausdrücklich gefragt, ob dieser Änderungsvertrag ihr schade. Sie, die Klägerin, wolle allenfalls vorübergehend – also für die Zeit der Kindererziehung – die wöchentliche Arbeitszeit reduzieren. Daraufhin habe ihr der Geschäftsleiter ausdrücklich versichert, der Änderungsvertrag schade ihr keinesfalls, sondern er sei ihr nur nützlich. Wolle sie nämlich während der Kindererziehung arbeiten, sei sie nach dem Vollzeitvertrag zur vollen Leistung verpflichtet. Dies würde sie, die Klägerin, indessen nicht leisten können. Hingegen sei es ihr möglich, eine Halbtagsbeschäftigung mit ihren Pflichten als Mutter zu vereinbaren. Selbstverständlich könne sie später, nach dem Wegfall ihrer Erziehungspflichten, wieder die Vollzeitbeschäftigung antreten.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, sie ab dem 01.04.2010 im Umfang von 39 Wochenstunden gemäß Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 2 A Teil II Abschnitt TUA I der Anlage 1 a zum BAT/nunmehr TV-L Entgeltgruppe 8, Stufe 6, beim Amtsgericht S zu beschäftigen;
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festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie beginnend mit dem 01.01.2010 die Differenz zwischen der derzeitigen Halbtagsvergütung und der seit dem 01.01.2010 geschuldeten Vollzeitvergütung gemäß der Entgeltgruppe 8, Stufe 6 TV-L solange zu zahlen, wie das beklagte Land sie nicht in Vollzeit beschäftigt.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Es trägt vor, ein Verstoß gegen § 611a BGB a. F. scheide aus, weil keine geschlechtsspezifische Benachteiligung vorliege. Für die rechtliche Beurteilung sei entscheidend, dass mit dem Abschluss des Änderungsvertrags dem Anliegen der Klägerin, ihre Arbeitszeit zu verringern, entsprochen worden sei. Nach damaliger Rechtslage hätte die Klägerin ohne die Änderungsvereinbarung lediglich die Möglichkeit gehabt, als Vollzeitkraft bis zum Beginn des Mutterschutzes vor der Geburt ihres zweiten Kindes weiter zu arbeiten. Ein tariflicher Anspruch auf Herabsetzung der Arbeitszeit habe ihr nicht zugestanden. Die Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch sei erst mit dem Inkrafttreten des § 15 b BAT zum 01.05.1994 geschaffen worden. Die Klägerin sei daher auf eine – einvernehmliche – unbefristete Reduzierung ihrer Arbeitszeit angewiesen gewesen. Dass sich die Erwartung, die Haushalts- und Beschäftigungslage werde zu einem späteren Zeitpunkt die Rückkehr in die Vollbeschäftigung ohne weiteres zulassen, nicht erfüllt habe, stelle keinen Nachteil dar, der im Sinne des § 611a BGB a. F. die Nichtigkeit der Änderungsvereinbarung auslöse.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Gemäß Beweisbeschluss vom 31.03.2011 (Bl. 229 d. A.) sollte der frühere Geschäftsleiter des Amtsgerichts S als Zeuge vernommen werden. Er ist ausweislich der ärztlichen Bescheinigung vom 02.05.2011 nicht mehr vernehmungsfähig. Im Termin vom 11.08.2011 ist die Klägerin als Partei zu dem Beweisthema angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 292 f. d. A.).
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Entscheidungsgründe:
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I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
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II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache teilweise Erfolg.
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Auf den Antrag zu 1) war festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis besteht, weil die Änderungsvereinbarung vom 19.06.1989 nach den §§ 134, 611a Abs. 1 BGB rechtsunwirksam ist. Dagegen ist der Antrag zu 2) wegen des Vorrangs einer Leistungsklage bereits unzulässig. Im Einzelnen gilt Folgendes:
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1. Der Antrag der Klägerin festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, sie ab dem 01.04.2010 im Umfang von 39 Wochenstunden beim Amtsgericht S zu beschäftigen, bedarf der Auslegung vor dem Hintergrund, dass eine Beschäftigungspflicht nicht einschränkungslos besteht und etwa durch Urlaub, Krankheit oder sonstige Beschäftigungshindernisse entfallen kann. Dem Interesse der Klägerin wird am ehesten ein Verständnis des Antrags gerecht, das Bestehen eines Vollzeitarbeitsverhältnisses festzustellen, in dem sie vertragsgemäß als Justizbeschäftigte beim Amtsgericht S eingesetzt wird. Nachdem die Klägerin dies in der Berufungsverhandlung auf Nachfrage des Gerichts klargestellt hat, konnte hinsichtlich des insoweit auch begründeten Begehrens tenoriert werden.
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Zwischen den Parteien besteht nach wie vor ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis. Die am 19.06.1989 getroffene – unbefristete – Teilzeitvereinbarung der Parteien ist nach § 134 BGB rechtsunwirksam, weil sie gegen § 611a Abs. 1 S. 1 BGB a. F. verstieß. Die Anwendung des § 611a BGB a. F. auf den Streitfall folgt aus § 33 Abs. 1 AGG, wonach für Benachteiligungen u. a. nach dieser Vorschrift das vor dem 18.08.2006 maßgebliche Recht gilt. Nach § 611a Abs. 1 S. 1 BGB a. F. durfte der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, bei einem beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder einer Kündigung, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Erfasst wurden alle arbeitgeberseitig gesetzten Arbeitsbedingungen im Rahmen von nachteiligen Vereinbarungen und Maßnahmen (vgl. HWK/Thüsing, 2. Aufl., § 611a BGB Rz. 3). Die Nachteiligkeit ergibt sich im Vergleich zu Beschäftigten des anderen Geschlechts. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer wegen des Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als ein anderer Arbeitnehmer erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine über die Anknüpfung an das Geschlecht hinaus gehende Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Daher können auch Ungleichbehandlungen zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern, die zum Wohle des/der Betroffenen ergriffen werden, unzulässige Diskriminierungen sein (vgl. HWK/Thüsing, § 611a BGB Rz. 19 m. w. N.).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt in der unbefristeten Teilzeitvereinbarung vom 19.06.1989 eine geschlechtsspezifische Benachteiligung der Klägerin, die nicht durch einen sachlichen Grund i. S. d. § 611a Abs. 1 S. 3 BGB gerechtfertigt ist. Eine Benachteiligung ist insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Vereinbarung dem Wunsch der Klägerin entsprochen hätte. Ein Wunsch gerade nach unbefristeter Teilzeitbeschäftigung wurde von der Klägerin weder geäußert, noch entsprach er der objektiven Interessenlage. Wendet man die zu der vergleichbaren Problematik des § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG entwickelten Grundsätze (vgl. BAG vom 19.01.2005 – 7 AZR 115/04, juris) entsprechend an, so ist entscheidend, ob die Arbeitnehmerin auch bei einem Angebot einer befristeten Teilzeitbeschäftigung eine unbefristete Vertragsänderung vereinbart hätte. Diese Frage kann mit Rücksicht auf das nur vorübergehende Teilzeitinteresse der Klägerin wegen der Wahrnehmung ihrer Mutterpflichten nur verneint werden. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung vor dem Berufungsgericht auch noch einmal betont, dass der Wunsch zu einer – unbefristeten – Teilzeitbeschäftigung damals definitiv nicht von ihr ausgegangen sei.
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Die geschlechtsspezifische Benachteiligung besteht hier konkret in dem letztlich von der Klägerin akzeptierten Vorschlag ihres Vorgesetzten, wegen einer Kollision von Mutterpflichten und Ganztagsbeschäftigung im Arbeitsverhältnis die Arbeitszeit auf Dauer auf halbe Tage zu reduzieren, obwohl es absehbar ohnehin zu einer bezügefreien Beurlaubung gekommen wäre. Für eine unbefristete Teilzeitvereinbarung bestand auf Seiten der Klägerin objektiv kein Bedürfnis. Sie hat auch unwidersprochen vorgetragen, dass keinem einzigen Arbeitnehmer in der Anstellungsbehörde jemals mit Rücksicht auf seine Vaterpflichten eine solche unbefristete Teilzeitvereinbarung nahegelegt worden oder tatsächlich eine solche Vereinbarung geschlossen worden sei. Der für die Klägerin aus der Vereinbarung resultierende Nachteil liegt entgegen der Auffassung des beklagten Landes und ihm folgend des Arbeitsgerichts in dem endgültigen Verlust des Anspruchs auf Vollzeitbeschäftigung gemäß ihrem Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1979. Der Nachteil realisiert sich in Gestalt eines erheblichen Einkommensfehlbetrags ab dem Zeitpunkt, ab dem die Klägerin wieder mehr arbeiten und mehr verdienen wollte und erst recht, seit dem sie wieder eine Vollzeittätigkeit ausüben möchte. Nachteilig ist ferner eine entsprechende Minderung ihres Rentenanspruchs.
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Auch das beklagte Land räumt ein, dass die unbefristete Arbeitszeitreduzierung einen Nachteil darstellt, der – für sich genommen – an sich geeignet ist, die Nichtigkeitsfolge des § 611a Abs. 1 S. 1 BGB a. F. auszulösen. Dieser Nachteil wird auch nicht durch den vorübergehenden Vorteil einer Teilzeitbeschäftigung für die Zeit vom 25.08. bis zum 01.10.1989 kompensiert. Auch die – gemeinsame – Erwartung beider Seiten, dass es in Zukunft ohne weiteres möglich sein werde, die Vollbeschäftigung wieder aufzunehmen, lässt eine Benachteiligung zum Zeitpunkt der Vereinbarung nicht entfallen. Mit dem Abschluss der Änderungsvereinbarung war der Nachteil im Rechtssinne durch den Verlust des Anspruchs auf eine Vollzeitbeschäftigung bereits eingetreten. Ob und inwieweit er sich später tatsächlich auswirken würde, spielt für die Anwendung des § 611a Abs. 1 BGB keine Rolle. Richtig ist allerdings, dass die Klägerin klaglos gestellt worden wäre, wenn die fühlbar nachteiligen Spätfolgen durch eine entsprechende Vollzeitstelle hätten aufgefangen werden können.
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Besteht zwischen den Parteien nach wie vor ein Vollzeitarbeitsverhältnis, so kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aus dem Gesichtspunkt einer besonderen Wiederaufstockungszusage des Dienstvorgesetzten oder aus Schadensersatzgründen wegen Fürsorgepflichtverletzung einen Anspruch auf Anhebung der Arbeitszeit hat.
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2. Für den auf Zahlung der Differenzvergütung gerichteten Feststellungsantrag zu 2) fehlt das besondere Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO, weil eine Klage auf konkrete Leistung möglich und zumutbar ist (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rz. 7a m. w. N.). Er ist zudem als sog. Globalantrag unbegründet, weil er unterschiedslos auch Zeiten einbezieht, für die eine Vergütungspflicht des beklagten Landes nicht oder nicht in voller Höhe besteht.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
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IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Anwendung des § 611a BGB a. F. zuzulassen.

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